Fehler finden, ohne hinzusehen

Forscher der ETH Zürich kommen der Lösung eines der grössten Probleme beim Bau eines Quantencomputers näher. Selbst Google und IBM sind noch nicht so weit.

Christian J. Meier
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Schematische Darstellung der Schaltung zur Fehlererkennung. Das Herzstück sind sieben in einer Doppelraute angeordnete Qubits (gelbe Sterne). Indem man die Qubits clever miteinander verschaltet, lassen sich verschiedene Fehlertypen unterscheiden.

Schematische Darstellung der Schaltung zur Fehlererkennung. Das Herzstück sind sieben in einer Doppelraute angeordnete Qubits (gelbe Sterne). Indem man die Qubits clever miteinander verschaltet, lassen sich verschiedene Fehlertypen unterscheiden.

Quantum Device Lab, ETH Zürich

Auch wenn Tech-Giganten wie Google oder jüngst der Mischkonzern Honeywell immer neue «Durchbrüche» bei der Entwicklung eines Quantencomputers feiern: Die grösste Barriere zu einem leistungsstarken Rechner, der nutzbringende Aufgaben viel schneller lösen würde als ein normaler Computer, haben sie noch nicht überwunden. Beim Rechnen mit den störanfälligen Quantenbits ergeben sich ständig Fehler. Die bizarren Regeln der Quantenphysik erschweren es jedoch erheblich, diese nachzuweisen und zu korrigieren. Nun gelang Forschern um Andreas Wallraff von der ETH Zürich ein wesentlicher Schritt zu diesem Ziel. Ihr Ansatz markiere «einen vielversprechenden Weg zur Realisierung der Quantenfehlerkorrektur», schreibt das Team in einer Publikation, die noch begutachtet werden muss.

Redundante Information

Bei herkömmlichen Computern lassen sich Fehler leicht bereinigen. Ihre kleinste Recheneinheit ist das Bit. Es speichert entweder eine 0 oder eine 1. Durch Störungen von aussen, etwa einem Magnetfeld, kann der Wert umklappen, aus einer 1 also fälschlich eine 0 werden oder umgekehrt. Daher hält man zwei Kopien jedes Bits vor, hat nun also 111 oder 000. Wenn aber einmal 001 vorliegt, geht man davon aus, dass nur ein Bit des Trios umgeklappt ist, und korrigiert es auf 000.

Der Quantenrechner hingegen rechnet mit Quantenbits, kurz Qubits. Jedes davon speichert 0 und 1 simultan. Das kann man sich vorstellen wie einen Zeiger, der in jede beliebige Richtung weisen kann statt nur senkrecht nach oben oder unten. Diese grössere Freiheit erlaubt es dem Qubit, 0 und 1 parallel zu verarbeiten. Bei zwei Qubits sind es schon vier Werte, bei drei Qubits acht und so weiter. Einige hundert Qubits können theoretisch mehr Zahlen simultan prozessieren, als es Teilchen im Universum gibt.

Weil das Qubit sehr empfindlich auf äussere Einflüsse reagiert, schleichen sich Fehler schon nach Mikrosekunden ein. Dabei kann der «Zeiger» um 180 Grad klappen. Forscher sprechen von einem «Bit-Flip». Wenn sich der Zeiger hingegen um die senkrechte Achse verdreht, spricht man von einem Phasenfehler. Die klassische Methode, jedem Bit zwei Sicherungskopien beizustellen, funktioniert beim Qubit nicht so einfach. Denn zur Prüfung müsste man die aktuellen Werte der drei Qubits auslesen. Doch während ein Quantencomputer rechnet, dürfen die empfindlichen Qubits nicht gemessen werden, weil das den fragilen quantenmechanischen Überlagerungszustand zerstören würde. Forscher haben jedoch Wege gefunden, um Fehler indirekt zu messen.

Zwar verteilen auch sie die Information auf mehrere Qubits, die sie physikalische Qubits nennen. Diese koppeln sie mit Hilfsqubits, die sozusagen als Warnlampen dienen. Denn ihr Zustand verändert sich, wenn eines der physikalischen Qubits aus der Reihe tanzt. Das lässt sich messen, ohne die zu überwachenden Qubits zu stören. Ein Hilfsqubit allein sagt jedoch weder, welches der physikalischen Qubits betroffen ist, noch, ob es sich um einen Bit-Flip oder einen Phasenfehler handelt.

Gegenstand der derzeitigen Forschung ist es, all die Qubits clever untereinander zu verschalten, so dass sich mit möglichst wenigen Hilfsqubits und Messungen rekonstruieren lässt, welches physikalische Qubit welchen Fehler verursacht hat. Dieser kann dann korrigiert werden. Eine solche Schaltung würde sich wie ein einzelnes fehlertolerantes Qubit verhalten, ein sogenanntes «logisches Qubit». Tausende logische Qubits, so der Plan, würden sich zu einem leistungsstarken, fehlertoleranten Quantencomputer verbinden lassen.

Google und IBM legen vor

Google und der IT-Konzern IBM haben schon vor Jahren erste Schritte dahin getan. Beide Firmen verwenden Chips mit supraleitenden Qubits, die sich mit Standardverfahren herstellen lassen. Googles Schaltung mit neun Qubits konnte Bit-Flips erkennen und diese korrigieren. IBM konnte mit nur vier Qubits sowohl Phasenfehler als auch Bit-Flips detektieren. Bei zwei physikalischen Qubits, wie sie das IBM-Experiment verwendete, kann man jedoch nie wissen, welches nun falschliegt, da immer eine Pattsituation vorliegt.

Dieses Manko will Wallraffs Team mit komplexeren Schaltungen beseitigen. Auf dem Chip der ETH-Forscher wird die Information auf vier physikalische Qubits verteilt. Die Forscher verschalteten die Qubits zusammen mit drei Hilfsqubits zu einer Doppelraute. Zwei der Hilfsqubits detektieren Bit-Flips und das verbleibende die Phasenfehler. Welches der physikalischen Qubits betroffen sei, könne man mit dieser Schaltung zwar immer noch nicht sagen, räumt Wallraff ein. Doch das Team will die Lücke binnen eines Jahres mit einer erweiterten Version mit insgesamt siebzehn Qubits schliessen.

Bits stabilisieren sich gegenseitig

«Wir können die Fehlerdetektion mehrmals hintereinander ausführen», sagt Wallraff, die Besonderheit des Zürcher Experiments hervorhebend. So lässt sich messen, wie lange die logischen Qubits durchhalten. Die Forscher beobachteten fehlerfreie Läufe, die etwa dreimal so lange andauerten wie die durchschnittliche Lebensdauer eines einzelnen physikalischen Qubits. Die Schaltung wirkt also stabilisierend. Die Qualität des logischen Qubits sei effektiv besser als die der physikalischen, erklärt Wallraff. Ein weiterer Aspekt: Das Auslesen der Hilfsqubits geht sehr schnell. Dies ist wichtig, da die Fehlerdetektion die Arbeit des Quantencomputers später einmal nicht ausbremsen soll.

«Diese Arbeit zeigt, dass Fehlerkorrekturverfahren tatsächlich zu Verbesserungen führen», urteilt Gerhard Kirchmair vom Institut für Quantenoptik und Quanteninformation in Innsbruck. Sie sei ein wichtiger Schritt hin zu einem fehlertoleranten, skalierbaren Quantencomputer. Mit skalierbar meint der Physiker eine Maschine, die sich auf Hunderte oder Tausende Qubits erweitern lässt, ohne dass unkontrollierbar häufig Fehler auftreten. «Seit fünf Jahren haben wir in der Fachgemeinde darüber geredet, dass man ein System wie das Zürcher bauen müsste», sagt Kirchmair. Jetzt sei es da. Der Schritt zu einer etwas komplexeren Schaltung, die Fehler nicht nur aufdecke, sondern auch korrigiere, sei nicht mehr weit. Europa hinke der amerikanischen Konkurrenz nicht hinterher, wie es oft heisse, schlussfolgert Kirchmair.

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