Schlankheitskur für den Quantencomputer

Das Zerlegen von Zahlen in ihre Primfaktoren gilt als Paradedisziplin für zukünftige Quantencomputer. Forscher aus Innsbruck haben nun demonstriert, wie sich diese Aufgabe effizient erledigen lässt.

Christian J. Meier
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Blick in die Vakuumkammer des Experiments, mit dem die Innsbrucker Forscher die Zahl 15 faktorisiert haben. (Bild: Lackner)

Blick in die Vakuumkammer des Experiments, mit dem die Innsbrucker Forscher die Zahl 15 faktorisiert haben. (Bild: Lackner)

Quantencomputer könnten sich mit deutlich geringerem technischem Aufwand realisieren lassen als bisher angenommen. Das zeigen Forscher der Universität Innsbruck und des Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Boston. Mit nur fünf Quantenbits ist es dem Team von Rainer Blatt gelungen, die Zahl 15 in ihre Primfaktoren zu zerlegen .¹ Pikant daran ist, dass der Laborprototyp ausgerechnet an einer Rechenaufgabe erprobt wurde, die vielen Verschlüsselungsmethoden zugrunde liegt.

Um digitale Schlösser zu knacken, wie sie etwa Online-Einkäufe schützen, müsste ein Angreifer eine riesige Zahl in ihre Primfaktoren zerlegen. Bei einer kleinen Zahl wie 15 sind die Primfaktoren leicht zu raten: 3 und 5. Bei einer Zahl mit vielen hundert Stellen hingegen müsste der Angreifer mehr Zahlenkombinationen testen, als es Teilchen im Universum gibt. Dafür würde selbst ein Supercomputer Jahrzehnte brauchen.

Viel schneller könnte es ein Quantencomputer. Denn der nutzt als Informationsträger Atome, Ionen oder Elektronen, die gemäss den Regeln der Quantenphysik gleichzeitig zwei sich ausschliessende Eigenschaften tragen können. Für die Informatik ist das interessant, weil ein Teilchen simultan die Werte 0 und 1 speichern kann, statt jeweils nur einen wie ein klassisches Bit. Ein Quantencomputer mit vielen hundert dieser «Qubits» könnte eine Unzahl von Zahlenkombinationen simultan speichern und verarbeiten und somit im Handumdrehen auch grosse Zahlen in ihre Primfaktoren zerlegen.

In Labors gibt es bis jetzt aber nur Prototypen mit maximal 14 Qubits. Der Schritt zu grösseren Quantencomputern scheitert unter anderem daran, dass der Aufwand für die Steuerung der Rechenprozesse überproportional mit der Zahl der Qubits ansteigt.

Hier setzt die Arbeit der Innsbrucker Forscher an. Zunächst erscheint sie wie ein Auf-der-Stelle-Treten. Das Laborexperiment zerlegte die Zahl 15 in ihre Faktoren 5 und 3. Das hatte Isaac Chuang vom MIT, der auch an der neuen Arbeit beteiligt ist, schon 2001 erreicht.

Dennoch sei das neue Ergebnis ein entscheidender Schritt für die Umsetzung eines praxistauglichen Quantencomputers, meint der am Experiment unbeteiligte Tommaso Calarco, Direktor des Zentrums für Integrierte Quantenwissenschaft und -technologie (Ulm und Stuttgart). Denn Blatts Team zeigt, dass sich die Zahl der für das Codebrechen nötigen Qubits um den Faktor drei senken lässt, wenn man einige der Qubits durch ein einziges ersetzt und dieses mehrfach nutzt. Ihr Prototyp besteht aus lediglich 5 Kalziumionen, die als Qubits dienen. Bisher ging man davon aus, dass für das Faktorisieren der Zahl 15 mindestens 12 Qubits nötig sind. Dass Chuangs Team damals mit 7 Qubits auskam, lag daran, dass es Vorwissen über die Lösung in die Konstruktion seines Quantencomputers gesteckt hatte. «Unsere Lösung kommt ohne Vorwissen aus», sagt Blatts Mitarbeiter Philipp Schindler.

Anders als Chuangs Lösung sei ihr Ansatz skalierbar, betonen die Innsbrucker Forscher. Das heisst, der Aufwand für den Ausbau auf viele Qubits steigt nicht überproportional an. Calarco lobt, dass der Prototyp einen standardisierten Baustein darstelle, der sich vervielfältigen und zu einem grösseren Rechner zusammensetzen lasse. Mehrere hundert Qubits seien so in zehn Jahren erreichbar, schätzt Schindler.

Allerdings steigt bei so vielen Qubits auch die Anfälligkeit für Rechenfehler. An der technischen Umsetzung von Korrekturverfahren tüfteln Forscher noch, und es ist unklar, wie aufwendig diese sein müssen. Es könnte sein, dass es Tausende zusätzliche Qubits nur für die automatische Fehlerbehebung braucht. Es kann also noch eine Weile dauern, bis neue Verschlüsselungsverfahren für die Internetsicherheit nötig werden.

¹ Science 351, 1068–1070 (2016).

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