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In Kooperation mit Theoretikern aus Frankreich und Großbritannien ist es Innsbrucker Experimentalphysikern gelungen, ultrakalte, stabile Rubidium-Cäsium-Moleküle zu erzeugen. Diese Moleküle sind aufgrund ihrer besonderen Eigenschaften zur Erforschung neuartiger Quanten-Aggregatszustände geeignet und könnten in zukünftigen Quantensimulatoren Anwendung finden.

 

Die Technik, ultrakalte atomare Gaswolken per Laserkühlung herzustellen, hat mittlerweile an vielen Universitäten und Forschungslaboratorien Einzug gehalten und ist für die unterschiedlichsten chemischen Elemente zur Perfektion gebracht worden. Zu diesem Fortschritt haben die Physikerinnen und Physiker an der Universität Innsbruck und am Institut für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI) in entscheidendem Maß beigetragen. So gelangen in Innsbruck in den vergangenen Jahren für die Elemente Cäsium, Strontium und Erbium die weltweiten ersten Bose-Einstein-Kondensate. Es handelt sich dabei um einen neuartigen Quantenaggregatszustand, der sich erst unterhalb eines Milliardstels der Raumtemperatur, knapp oberhalb des absoluten Nullpunkts, ausbildet.

Zwei Elemente ungleich komplizierter

Moleküle auf vergleichbare Temperaturen zu bringen, ist jedoch bisher erst wenigen Forschergruppen vorbehalten. Die innere Struktur von Molekülen macht es bisher selbst im einfachen Fall von nur zwei aneinander gebundenen Atomen nicht möglich, diese über den Weg der Laserkühlung bis zur Quantenentartung herab zu kühlen. Anstelle dessen erzeugten die Wissenschaftler vom Institut für Experimentalphysik der Universität Innsbruck und dem IQOQI zunächst zwei separate ultrakalte Gaswolken aus atomarem Rubidium (Rb) und Cäsium (Cs). „Erst nach der Kühlung haben wir über einen kontrollierten Stoß die RbCs-Moleküle erzeugt und mit Hilfe zweier frequenzstabiler Laser im sogenannten STIRAP-Verfahren mit hoher Effizienz in ihren Grundzustand versetzt“, erzählt ERC-Preisträger Hanns-Christoph Nägerl. „Die besondere Herausforderung bestand darin, die Bindung der Atome so zu vollziehen, dass keine Bindungsenergie unkontrolliert freigesetzt wird.“ Außerdem mussten die Forscher die Moleküle in den Zustand niedrigster innerer Energie versetzen. Sie könnten sonst bei einem Stoß mit einem anderen Molekül sehr leicht zerbrechen.

Wahrer Charakter bei tiefsten Temperaturen

Eine besondere Eigenschaft der RbCs-Moleküle ist ihr großes elektrisches Dipolmoment. Bei den extrem niedrigen Temperaturen und in Kombination mit einem elektrischen Feld tritt dieses in Erscheinung. Vergleichbar mit einer Kompassnadel, die sich entlang des Erdmagnetfeldes ausrichtet, orientiert sich das elektrische Dipolmoment der RbCs-Moleküle an dem elektrischen Feld. „Dies erlaubt es den Molekülen, über eine Distanz, die dem tausendfachen ihrer eigenen Größe entspricht, miteinander über Dipol-Dipol-Kräfte in Wechselwirkung zu treten“, erklärt Nägerl. „Wie bei Magneten ist die Wechselwirkung von der Orientierung der Moleküle zueinander abhängig und kann sowohl anziehend als auch abstoßend sein.“ Weltweit war es zuvor erst ein einziges Mal gelungen, mit ähnlicher Effizienz eine ultrakalte Gaswolke von dipolaren Molekülen zu erzeugen. Die am Joint Institute for Laboratory Astrophysics (JILA) in Boulder, USA, erzeugten Kalium-Rubidium-Moleküle sind allerdings selbst in ihrem Grundzustand nicht stoßstabil.

Neue Quantenaggregatszustände

Für Rubidium-Cäsium-Moleküle, die man in einem Gitter aus Licht einfängt, haben theoretische Modelle bereits die Existenz neuartiger Quantenaggregatszustände vorhergesagt, die auf dem starken Dipolmoment der Moleküle basieren. Vergleichbar mit den klassischen Aggregatszuständen fest, flüssig und gasförmig unterscheiden sich auch die Quantenaggregatszustände in der Art und Weise, wie sich die Moleküle untereinander anordnen. Das Innsbrucker Team will diese Zustände nun in weiteren Experimenten realisieren, nachweisen und untersuchen.

Die Ergebnisse sind nun in der Fachzeitschrift Physical Review Letters als Editor’s Selection erschienen. Finanziell unterstützt wurden die Forscher unter anderem vom österreichischen Wissenschaftsfonds FWF und der Europäischen Union.