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Laborversuch
Schlauch für Magnetfelder

Physik. - Licht lässt sich heute leicht von Kontinent zu Kontinent schicken. Möglich macht das die moderne Glasfasertechnik. Anders bei Magnetfeldern: Sie lassen sich bislang nicht einfach so in ein Kabel sperren und von A nach B transportieren. Doch genau das ist nun Physikern aus Spanien, Österreich und Deutschland geglückt.

Von Frank Grotelüschen | 17.07.2014
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    Magnetfeldlinien eines Stabmagneten, sichtbar gemacht durch Eisenspäne. (Nasa)
    Es ist wie ein Geschicklichkeitsspiel: Wirft man zwei Magnete hoch, bleiben sie nur dann aneinander haften, wenn sie sich zufällig in der Luft berühren. Der Grund: Die Reichweite der Magnetfelder ist arg beschränkt.
    "Ein Magnetfeld ist ein statisches Feld. Es breitet sich nicht im Raum aus, so wie es zum Beispiel Laserlicht tut. Stattdessen wird ein Magnetfeld schnell schwächer, wenn man sich von dem Magneten entfernt",
    sagt Oriol Romero-Isart, Forscher an der Universität Innsbruck. Mit einem Magnetfeld sei es so ähnlich wie mit dem Rasensprengen im Garten, beschreibt der Physiker: Sobald das Wasser den Sprinkler verlässt, schafft es maximal ein paar Meter, dann geht ihm quasi die Puste aus. Anders jedoch die Situation im Gartenschlauch, der das Wasser vom Hahn bis zum Sprinkler transportiert.
    "Solange das Wasser im Schlauch ist, kann es ohne große Verluste über sehr weite Strecken transportiert werden – bis zum anderen Ende des Gartens, um dort die Pflanzen zu gießen."
    Physikalisch gesehen funktioniert der Gartenschlauch nach einem simplen Prinzip: Der Schlauch ist bekanntlich hohl, und durch den Hohlraum kann das Wasser unbedrängt fließen. Begrenzt wird der Hohlraum durch eine Barriere, und zwar die Schlauchwand aus Gummi. Sie hindert das Wasser daran, auszubrechen und in alle Richtungen wegzuspritzen. Romero-Isart und seine Kollegen stellten sich nun folgende Frage: Ließe sich das Gartenschlauch-Prinzip nicht auch auf Magnetfelder übertragen?
    "Dazu mussten wir ein Material finden, das ein Magnetfeld in seinem Inneren konzentrieren und leiten kann und das gleichzeitig verhindert, dass das Magnetfeld ausbricht. Keine einfache Aufgabe. Sie war nur zu lösen, indem wir zwei Materialien geschickt miteinander kombinierten."
    Als Hohlraum verwenden die Forscher einen sogenannten Ferromagneten. So nennt man ein Metall, das unter dem Einfluss eines Magnetfeldes selber magnetisch wird. Als Schlauchwand dagegen dient ein Supraleiter. Dieser kann zwar elektrischen Strom verlustfrei leiten. Magnetfelder aber können in den Supraleiter so gut wie gar nicht eindringen. Eine perfekte, weil undurchlässige Barriere also. Sie sorgt dafür, dass das Magnetfeld im Ferromagneten bleibt und nicht aus ihm entkommt. Soweit die Theorie – doch würde das Prinzip auch in der Praxis funktionieren? Das musste ein Test im Labor zeigen, ausgeführt von Physikern der Universität Barcelona.
    "Sie nahmen ein Rohr aus einem ferromagnetischen Metall, 14 cm lang und 2 cm dick. Dieses Rohr haben sie mit einem dünnen Supraleiter-Band umwickelt. Dann kühlten sie es mit Flüssigstickstoff auf minus 200 °C ab. Denn nur bei solch tiefen Temperaturen funktioniert der Supraleiter. Anschließend haben sie auf der einen Rohrseite ein Magnetfeld angelegt und auf der anderen Seite nachgemessen, welcher Anteil des Magnetfeld dort ankam."
    Das verblüffende Resultat: Immerhin bis zu drei Viertel des Magnetfelds wurden transportiert. Ohne den Supraleiter waren es keine 20 Prozent. Der Wert dürfte sich sogar noch steigern lassen, würde man mehrere konzentrische, sich abwechselnde Schichten aus Ferromagnet und Supraleiter verwenden. Und wozu könnte das neue Magnetkabel eines Tages nützlich sein?
    "Eine Idee wäre, das Ganze im Nanomaßstab zu bauen, ein Nanokabel für Magnetfelder also. Das könnte man eines Tages nehmen, um die einzelnen Informationsspeicher in einem Quantencomputer anzusteuern. Bislang versucht man das mit Laserlicht. Doch Laser haben den Nachteil, dass sie die fragilen Speicher aufheizen. Das würde mit Magnetfeldern nicht passieren."
    Auch für die Spintronik könnte die Erfindung eines Tages taugen, hofft Romero-Isart. So nennt man einen der Ansätze für die Mikroelektronik der Zukunft, bei der anders als heute nicht mit winzigen elektrischen Strömen gerechnet wird, sondern mit kleinen Magnetfeldern.