Quanten-Designer

Über Quantencomputer und die Delokalisierung von Teilchen - Besuche von Hotspots der experimentellen Quantenphysik

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Quantenphänomene galten lange als Eigenschaften in einer Art Parallelwelt, die so gar nicht in unsere beobachtbare Wirklichkeit passen. Niels Bohr meinte in den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts: "Wer über die Quantenwelt nicht entsetzt ist, der hat sie nicht verstanden." Die Materie löst sich darin in Bewegung auf, schlimmer noch: Werner Heisenberg konfrontierte die Welt mit der Unschärfe-Relation, die besagt, dass Materie - immer auch Welle zugleich - für uns nur mit einer der beiden Zustände experimentell exakt bestimmbar und daher auch messbar ist. Die jeweils andere geht im Rauschen der Unbestimmtheit unter.

Kurzum: Die Quantenwelt war lange Zeit ein Beschäftigungsfeld für tiefschürfende Theoretiker der Physik und wortgewaltige philosophische Interpreten. Lange Zeit lag sie außerhalb des Messbaren im Forschungslabor - und praktischen Nutzen, der daraus erwachsen könnte, visionierte man zuerst einmal sowieso nicht. Das hat sich längst geändert, die Quantenphysik ist eine wichtige Disziplin mit gewaltigem Zulauf in den physikalischen Labors.

Die experimentellen Quantenphysiker brauchen allerdings das Vakuum für ihre Versuche. Denn Quantenphänomene werden nur beobachtbar und damit messbar, wenn sich Teilchen, Atome oder Moleküle isoliert von der Wechselwirkung mit anderen Teilchen "verhalten".

Für die Messung dieses Verhaltens stehen unterschiedlich ausgerichtete experimentelle Sets auf dem Prüfstand. Und erstaunliche Beweise sind inzwischen gelungen: Zum Beispiel der Nachweis der für uns so schwer nachvollziehbaren Heisenbergschen Unschärfe-Relation, also die Tatsache, dass ein Teilchen in der reinen Quantenwelt tatsächlich an verschiedenen Orten gleichzeitig sein kann.

Rainer Blatt

Ebenso jonglieren Experimentatoren erfolgreich mit der Teleportation, also dem Phänomen, dass die Zustands-Informationen von Quanten "instantan", wie das die Fachleute nennen, übermittelt werden. Gemeint ist: Sind Quanten in einem verschränkten Zustand, also miteinander gekoppelt, dann gehen Veränderungen des Zustands an einem Quant gleichzeitig auf alle anderen Quanten über - und zwar ganz egal, wie weit sie voneinander entfernt sind.

Für Einstein, den Entdecker der Lichtgeschwindigkeit als Obergrenze der Informationsübertragung im Universum, war das noch ein scheinbar guter Grund, die Quantenphysik abzulehnen. Dass Einstein zwar Recht hatte, aber Schrödinger eben auch, beweisen Forscher heute eindrucksvoll. Manche Experimentatoren haben schon begonnen, die Fähigkeit der Quanten zur Teleportation zu kontrollieren, und sie als Abakus fürs Rechnen mit Qu-Bits zu nutzen.

Ich habe in letzter Zeit mehrere Hotspots der experimentellen Quantenphysik besucht und mit angesehenen Quantenphysikern gesprochen. Für mich war dabei spannend zu beobachten, dass Quantenphysiker keine spezielle Spezies sind, sondern sich ihre Charaktere doch erheblich voneinander unterscheiden. Da ist beispielsweise Rainer Blatt von der Uni in Innsbruck, gleichzeitig auch Chef des iqoqi, eine gemeinschaftliche Forschungsstätte von Universität und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften.

Er ist ein Pionier des zukünftigen Quantencomputers, insofern wohl zumindest ein möglicher Nobelpreis-Kandidat; und er ist das, was ich einen Technokraten der Quantenwelt bezeichnen möchte. Sein Credo: Die Quantenwelt ist nicht nur berechenbar, sondern inzwischen auch zu beherrschen - verstehen müssen wir sie dabei nicht. Fast ein bisschen trotzig bringt er seine persönliche Sicht über die von Einstein in die Debatte eingebrachte "spukhafte" Fernwirkung der Quantenphysik zu Protokoll und in meine Kamera: "Ich mag diesen Mystizismus nicht!" Blatt ist einer, der die Quanten immer präziser unter seine Kontrolle bringen will, das macht er ziemlich erfolgreich - alles andere interessiert ihn einfach nicht.