Quantencomputer: "Wir sind im Moment auf dem Niveau eines Röhrencomputers"

Google, IBM, D-Wave arbeiten an Quantencomputern. Sie sollen schneller rechnen, heutige Verschlüsselung im Nu knacken und dafür ihrerseits praktisch nicht zu knackende Verschlüsselung ermöglichen. Wir haben mit Rainer Blatt, einem der führenden Experten auf dem Gebiet, darüber gesprochen.

Ein Interview von veröffentlicht am
Rainer Blatt: Wir brauchen noch einen Transistor für den Quantencomputer.
Rainer Blatt: Wir brauchen noch einen Transistor für den Quantencomputer. (Bild: M. R. Knabl/IQOQI)

Hier kommt die zweite Quantenrevolution. Die erste hat uns den Laser gebracht, die zweite soll den Quantencomputer ermöglichen. Rainer Blatt, wissenschaftlicher Direktor am Institut für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI) in Innsbruck, gilt als einer der führenden Experten auf dem Gebiet der Quanteninformation. Seinem Team gelang 2005 ein Rekord mit acht verschränkten Ionen in einer Ionenfalle. Fünf Jahre später verschränkten die Innsbrucker 14 Ionen. Derzeit entsteht an seinem Institut ein weiterer Quantencomputer, der über eine Quantenfehlerkorrektur verfügen wird.

Wie weit ist die Entwicklung schon fortgeschritten? Wann werden wir die ersten Geräte zu Hause haben? Wir haben mit Blatt darüber gesprochen.

Golem.de: Was macht Quantentechnologie derzeit zu einem Hypethema?

Rainer Blatt: Die Quantenphysik ist ja schon seit etwa 100 Jahren bekannt und gut etabliert. Wir haben in den letzten 25 Jahren die Möglichkeit erkannt, dass man mithilfe von Quantentechnologien neue Geräte bauen oder bereits existierende verbessern und so darüber hinausgehen kann, was die bisherige Quantenphysik ermöglicht hat. Man spricht manchmal sogar von der zweiten Quantenrevolution.

Die erste Quantenrevolution ermöglichte bildgebende Verfahren und Laser

Die erste Quantenrevolution hat uns Dinge ermöglicht, wie bildgebende Verfahren, den Laser, Navigationssysteme, das GPS und so weiter. Die zweite Quantenrevolution nutzt ein Phänomen, das wir erst seit zwei Jahrzehnten gut untersuchen können: die Verschränkung - obwohl dieser Begriff schon seit Mitte der 1930er-Jahre in der Quantenphysik bekannt ist. Er war bisher sehr exotisch. Aber seit 20 Jahren können wir das im Labor untersuchen und auch nutzbar machen.

Dabei handelt es sich um ein Phänomen, das wir aus der Quantenphysik kennen: die Überlagerung, dass zwei Zustände nicht so oder so eingenommen werden können, sondern dass ein Zwischenzustand, der aus beiden besteht, eingenommen werden kann, bei einer Messung aber nur mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit in dem einen oder anderen Zustand gefunden wird.

Sichere Kommunkation mittels Überlagerung

Das geht aber auch über Entfernungen hinweg - was man sich kaum vorstellen kann. Man denkt: Hier ist ein Teilchen, da ist ein Teilchen, die sind separat voneinander zu sehen. Diese Überlagerung kann bei entsprechender Wechselwirkung auch über Entfernungen hinweg gemacht werden. Das kann man ausnutzen. Zum Beispiel können wir für die Quantenkommunikation Teleportationsprotokolle nutzen. Wir können damit sichere Quantenkryptographie machen oder Messinstrumente verbessern. Und wir können über die Verschränkung auch nichtlokale Eigenschaften messen.

Es gibt Dinge, die die Nichtlokalität ausnutzen können - und das macht die zweite Quantenrevolution aus.

Golem.de: Was ist derzeit die größte Herausforderung bei den Quantencomputern?

Blatt: Das Besondere an diesen Computern ist, dass sie ganz anders funktionieren als herkömmliche Computer. Diese sind im Wesentlichen schnelle Schaltmaschinen, die sehr viele Male pro Sekunde schalten können und so, wenn Sie sie entsprechend programmieren, Operationen durchführen können.

Quantencomputer arbeiten mit Überlagerungen

Quantencomputer funktionieren anders. Sie arbeiten mit den bereits erwähnten Überlagerungen. Die Kunst ist, diese Überlagerung so zu beeinflussen, zu manipulieren, dass Interferenzmuster entstehen, deren Aussehen das Resultat enthält, das wir als Rechenaufgabe verstehen.

Stellen Sie sich eine Wasseroberfläche vor. Sie werfen einen Stein hinein und noch einen Stein. Es entstehen Wellen, die interferieren, es gibt ein Muster. Wenn Sie das Muster sehen, können Sie zurückrechnen, wo die Steine hineingefallen sind. Wenn Sie sehr viele Steine haben, dann ergibt sich ein kompliziertes Interferenzmuster auf der gesamten Wasseroberfläche. Wenn Sie es schaffen, dieses Interferenzmuster richtig zu lesen, dann haben Sie damit auch Ihre Rechenaufgabe gelöst.

Die Rechenaufgabe besteht also nicht darin, Einzelprozesse durch Schaltprozesse Stück für Stück zu simulieren oder nachzubauen, sondern die Prozesse in solche Interferenzen zu überführen und damit eine Aufgabe zu lösen. Insofern funktionieren Quantencomputer ganz anders als herkömmliche Computer.

Golem.de: Wie weit sind aktuell die Quantencomputer?

Blatt: Wir haben in Innsbruck derzeit zwei funktionsfähige Quantencomputer und arbeiten am Aufbau eines dritten. Der erste Quantencomputer läuft mit 14 Quantenbits, der zweite mit 20, kann aber bis zu fast 50 Quantenbits haben und damit in naher Zukunft auch programmiert werden. Wir arbeiten an einem dritten, der speziell so ausgelegt ist, dass damit fehlerhafte Prozesse, die entstehen, rückgängig gemacht werden können.

Um diese Berechnungen sinnvoll längerfristig zu machen, ohne dass das System aus dem Ruder läuft, braucht es eine Fehlerkorrektur. So etwas gibt es auch bei den Computern und in der Kommunikation. Bei der Quantenfehlerkorrektur war lange Zeit nicht klar, wie man sie machen kann. Seit etwa 15 oder 18 Jahren wissen wir das. Wir haben auch im Labor bereits Teile davon realisiert. Es geht jetzt darum, diese Fähigkeit routinemäßig zur Verfügung zu stellen. Dann können wir auch große Rechnungen machen.

Der Quantencomputer überholt den konventionellen in wenigen Jahren

Damit sind wir immer noch in den Kinderschuhen des Quantenrechnens. Zum Vergleich: Wir sind im Moment auf dem Niveau eines Röhrencomputers aus den 1940er-Jahren. Wir brauchen noch die Entwicklung von Technologien vergleichbar dem Transistor und dem integrierten Schaltkreis. Dann können wir die klassischen Computer überholen. Das wird wohl in den nächsten - sagen wir: fünf - Jahren der Fall sein. Zunächst vermutlich mit Simulationen, den universellen Quantenrechner wird es erst sehr viel später geben.

Golem.de: Haben wir dann alle irgendwann einen Quantencomputer zuhause?

Blatt: Die Quantencomputer werden kommen. Sie werden den herkömmlichen Computer nicht ersetzen. Aber sie werden viele Aufgaben, die für herkömmlichen Computer schwierig sind, besser und schneller lösen können. Nach dem jetzigen Verständnis wird der Quantencomputer zunächst einmal ein Spezialinstrument sein, nicht nur für wissenschaftliche Zwecke, sondern auch für andere Aufgaben, etwa die Signalverarbeitung.

Das ist vergleichbar mit den Koprozessoren, die vor 30 Jahren in die klassischen Rechner integriert wurden und die numerischen Aufgaben übernommen haben. Heute spricht niemand mehr davon, weil sie Teil eines Computers sind. Wir werden also in Zukunft nicht nur Computer, sondern auch Messinstrumente, Simulatoren oder Kommunikationsinstrumente mit Quantenmethoden überhöhen können.

Golem.de: PC und Quantencomputer verschmelzen also?

Blatt: Vermutlich. Aber nicht für alles: Wenn ich einen Text schreiben will, brauche ich keinen Quantencomputer. Auch wenn ich eine Präsentation halte, wird er mir vermutlich nicht sehr viel weiterhelfen. Aber für viele numerische oder auch Optimierungsprobleme werden wir in Zukunft Quantenhilfsmittel zur Verfügung haben.

Golem.de: Werden wir einen Quantenteil im Computer für sichere Kommunikation haben?

Blatt: Absolut. Sie können heute schon Module kaufen, die eine relativ schnelle Kryptographie ermöglichen. Das geht über die Quantenschlüsselverteilung. Damit werden auf quantenmechanischem Weg Schlüssel erzeugt. Diese Quantenkryptoverfahren sind, wenn sie nicht entsprechend gewartet werden, hier und da auch anfällig. Aber im Prinzip ermöglichen sie eine abhörsichere Quantenkryptografie. Das werden wir sicher als erste wirtschaftliche Anwendung sehen.

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