Ein Suprafestkörper ist flüssig und fest zugleich. Physiker aus Innsbruck und Genf haben erstmals untersucht was geschieht, wenn ein solcher Materiezustand aus dem Gleichgewicht gebracht wird. Dabei stießen sie auf einen wissenschaftlich interessanten weichen Festkörper. Wie die Forscher um Francesca Ferlaino und Thierry Giamarchi in Nature Physics berichten, ließ sich der Vorgang überraschenderweise auch umkehren und die Suprafestigkeit wiederherstellen.
Im vergangenen Jahr, mehr als fünfzig Jahre nach ersten theoretischen Vorhersagen, ist es Wissenschaftlern in Pisa, Stuttgart und Innsbruck unabhängig voneinander gelungen, mit ultrakalten Quantengasen aus starkmagnetischen Atomen erstmals sogenannte Suprafestkörper zu erzeugen. Dieser Materiezustand ist quasi fest und flüssig zugleich. „Aufgrund quantenphysikalischer Effekte kann ein sehr kaltes Gas aus Atomen spontan gleichzeitig eine kristalline Ordnung wie ein fester Kristall sowie den Teilchenfluss eines Superfluids aufweisen, d.h. einer Quantenflüssigkeit, die ohne Reibung fließen kann“, erklärt Francesca Ferlaino vom Institut für Quantenoptik und Quanteninformation der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und dem Institut für Experimentalphysik der Universität Innsbruck. „Stark vereinfacht kann man sich einen dipolaren Suprafestkörper als eine Kette von Quantentröpfchen vorstellen, die über eine dünne, sie umgebende supraflüssige Wolke miteinander kommunizieren“, erläutert Thierry Giamarchi, theoretischer Physiker von der Universität Genf.
Überraschend reversibel
In der Fachzeitschrift Nature Physics berichten die Wissenschaftler nun, wie ein Suprafestkörper reagiert, wenn die supraflüssige Wolke zwischen den Tröpfchen mit Hilfe eines externen Magnetfelds entleert wird. „Wir haben gezeigt, dass die Tröpfchen ohne die Wolke schnell beginnen, sich wie kleine unabhängige Quantensysteme zu verhalten. Der Suprafestkörper verwandelt sich wieder in einen normalen Festkörper“, erzählt Maximilian Sohmen aus dem Team von Francecsa Ferlaino. „Dieser ‚Festkörper‘ ist jedoch weich, er kann sich verformen und unterstützt viele kollektive Anregungen, sogenannte Phononen“, ergänzt Philipp Ilzhöfer vom Innsbrucker Team. „Das macht diesen Zustand zu einem sehr interessanten, aber komplexen Untersuchungsgegenstand mit starken Verbindungen zur Festkörperphysik und anderen Fachgebieten.“
Den Innsbrucker Physikern gelang es überraschenderweise, diesen Dephasierungsprozess auch wieder umzukehren: Wenn die Wolke im Hintergrund wieder aufgefüllt wird, beginnen die Tröpfchen wieder durch Tunneln von Teilchen miteinander zu kommunizieren und stellen so die Suprafestigkeit wieder her.
Finanziell unterstützt wurden die Forschungen unter anderem vom österreichischen Wissenschaftsfonds FWF, dem Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung, dem Schweizerischen Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung und der Europäischen Union.