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Illustration: IQOQI

Quasiteilchen sind keine echten physikalischen Teilchen, und doch kann man mit ihnen physikalische Phänomene in Festkörpern sehr gut erklären. Nun haben Innsbrucker Physiker in einem Quantensystem Quasiteilchen erzeugt und dabei erstmals die Ausbreitung quantenmechanischer Verschränkung in einem Vielteilchensystem beobachtet. Sie berichten darüber in der Fachzeitschrift Nature.

Die Physiker um Christian Roos vom Institut für Quantenoptik und Quanteninformation der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Innsbruck haben im Labor eine neue experimentelle Plattform etabliert, um Quantenphänomene zu studieren. In einer Kette aus gefangenen, ultrakalten Ionen können sie Quasiteilchen erzeugen und deren Eigenschaften sehr exakt kontrollieren und vermessen. „Quasiteilchen sind ein bewährtes Konzept der Physik, mit ihnen lässt sich das kollektive Verhalten von Teilchen vereinfacht sehr gut beschreiben“, sagt Christian Roos.

Ausbreitung von Verschränkung

Im Labor nutzen die Physiker zwischen sieben und fünfzehn Kalziumionen, die in einer Vakuumkammer gefangen und wie an einer Schnur aufgefädelt sind. Mit Hilfe von Lasern lassen sich die Quantenzustände der einzelnen Ionen präparieren. „Jedes Teilchen verhält sich wie ein kleiner Quantenmagnet, die sich dann auch gegenseitig beeinflussen“, erklärt Petar Jurcevic, Erstautor einer aktuellen Studie. „Wenn wir eines der Teilchen gezielt anregen, werden die anderen Teilchen dadurch beeinflusst. Das kollektive Verhalten beschreiben wir als Quasiteilchen.“ Diese Quasiteilchen bewegen sich vom Ort der Anregung in beiden Richtungen entlang der Ionenkette. Dabei entstehen Korrelationen zwischen den Teilchen. Die Ausbreitung von Anregungen wurde in den vergangenen Jahren bereits in Experimenten mit neutralen Atomen erforscht. Dabei konnte auch die Entstehung von Korrelationen zwischen den Teilchen gezeigt werden. „Wir haben nun erstmals nachgewiesen, dass es sich hierbei um Quantenkorrelationen handelt“, sagt Roos. „Durch die Messung dieser Korrelationen können wir die Quantenverschränkung der Teilchen quantifizieren.“ So konnten die Physiker erstmals zeigen, wie sich die Verschränkung der Teilchen in einem Quantensystem ausbreitet.
Im Gegensatz zu den bisherigen Experimenten ist es den Innsbrucker Forschern erstmals auch möglich, die Reichweite der wechselseitigen Beeinflussung der Teilchen genau einzustellen: vom nächsten Nachbarn bis ins Unendliche. So können sie immer neue, andere Quasiteilchen in dem Quantensystem entstehen lassen.

Neue Forschung an Quasiteilchen

„Auf diese Weise können wir die Quasiteilchen fast nach Belieben manipulieren“, ist der an der Arbeit beteiligte Theoretiker Philipp Hauke begeistert. „Wir haben Jahrzehnte lang gebraucht, bis wir einzelne Quantenteilchen genau kontrollieren und manipulieren konnten. Nun steht uns auch eine Plattform zur Verfügung, mit der wir Quasiteilchen in ähnlicher Weise untersuchen und damit physikalische Phänomene erforschen können, die bisher experimentell nicht zugänglich waren.“ So lässt sich damit zum Beispiel untersuchen, wie ein Quantensystem sein thermisches Gleichgewicht erreicht, ein Prozess, der bis heute noch nicht verstanden wird. „Ein großes Ziel ist es auch, Quasiteilchen für die Quanteninformationsverarbeitung zu nutzen“, sagt Hauke. Aber auch die Rolle der Quantenphysik in Transportprozessen, wie sie ähnlich auch in der Biologie auftreten, könnte auf dieser Plattform studiert werden. Konkret arbeiten die Innsbrucker Physiker um Christian Roos nun an der Idee, erstmals die Wechselwirkung von zwei Quasiteilchen eingehender zu studieren.

Die nun in der Fachzeitschrift Nature veröffentlichte Studie entstand in einer Zusammenarbeit der theoretischen Forschungsgruppe um Peter Zoller und der Experimentatoren um Rainer Blatt am Institut für Quantenoptik und Quanteninformation der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und der Universität Innsbruck. Finanziell gefördert wurde sie vom österreichischen Wissenschaftsfonds FWF, der Europäischen Kommission und dem Europäischen Forschungsrat ERC sowie der Tiroler Industrie.