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Grafische Illustration der spontanen Entstehung von Elementarteilchen-Paaren aus einem Vakuum.

Mit der ersten Quantensimulation einer Gitter-Eichfeldtheorie schlagen Innsbrucker Physiker eine Brücke zwischen Hochenergiephysik und Atomphysik. Die Forschungsgruppen um Rainer Blatt und Peter Zoller berichten in der Fachzeitschrift Nature, wie sie mit einem Quantencomputer die spontane Entstehung von Elementarteilchen-Paaren aus einem Vakuum simuliert haben.

Die kleinsten bekannten Bausteine der Materie sind die Elementarteilchen, deren Eigenschaften die Teilchenphysik mit dem sogenannten Standardmodell beschreibt. Spätestens seit dem Nachweis des Higgs-Teilchens 2012 am europäischen Kernforschungszentrum CERN gilt das Modell als weitgehend bestätigt. Allerdings sind viele Aspekte dieser Theorie noch nicht verstanden und können aufgrund ihrer Komplexität auf klassischen Computern auch nicht zufriedenstellend untersucht werden. Quantensimulatoren könnten hier in Zukunft Abhilfe schaffen, indem sie einzelne Aspekte der Elementarteilchenphysik in einem Quantensystem nachbilden. Einen Schritt in diese Richtung haben nun Physiker der Universität Innsbruck und des Instituts für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften gesetzt. Die Forschungsgruppen um Rainer Blatt und Peter Zoller haben zum weltweit ersten Mal eine Gitter-Eichfeldtheorie in einem Quantensystem simuliert und berichten darüber in der Fachzeitschrift Nature.

Paarbildung auf einem Quantencomputer simuliert

Eichtheorien beschreiben die Wechselwirkung zwischen elementaren Teilchen, wie zum Beispiel Quarks und Gluonen, und sind die Basis für unser Verständnis von fundamentalen Prozessen. „Äußerst schwer zu behandeln sind dynamische Prozesse wie die Kollision von Elementarteilchen oder die spontane Entstehung von Teilchen-Antiteilchen-Paaren“, erklärt IQOQI-Theoretikerin Christine Muschik. „Hier stoßen numerische Berechnungen auf klassischen Computern extrem rasch an ihre Grenzen. Aus diesem Grund wurde vorgeschlagen, solche Prozesse mit einem kontrollierten Quantensystem zu simulieren.“ In den vergangenen Jahren entstanden viele interessante Vorschläge, die bisher aber nicht realisiert werden konnten. „Ein von uns neu entwickeltes Konzept ermöglicht es nun, die spontane Entstehung von Elektron-Positron-Paaren aus dem Vakuum auf einem Quantencomputer zu simulieren“, sagt Muschik. Das Quantensystem besteht aus vier elektromagnetisch gefangenen Kalzium-Ionen, die durch Laserpulse kontrolliert werden. „Je zwei Ionen repräsentieren ein Paar aus Teilchen und Antiteilchen“, erklärt der Experimentalphysiker Esteban A. Martinez aus dem Team um Rainer Blatt. „Mit Laserpulsen simulieren wir zunächst ein elektromagnetisches Feld in einem Vakuum. Dann können wir beobachten, wie aus der Energie dieses Feldes aufgrund von Quantenfluktuationen Teilchenpaare entstehen. Ob Teilchen oder Antiteilchen erzeugt werden, weisen wir mit Hilfe der Fluoreszenz der Ionen nach. Verändern wir die Parameter des Quantensystems, können wir den dynamischen Prozess der Paarbildung mitverfolgen und studieren.“

Gemeinsam zu neuen Erkenntnissen

Mit dem Experiment schlagen die Innsbrucker Physiker eine Brücke zwischen zwei Teilgebieten der Physik: Hier werden Probleme der Hochenergiephysik mit Methoden aus der Atomphysik studiert. Während im einen Feld Hunderte von Theoretiker an den äußerst komplexen Theorien zum Standardmodell arbeiten und Experimente an milliardenteuren Teilchenbeschleunigern wie am CERN durchgeführt werden, können Quantensimulationen bereits von kleinen Gruppen in Laborexperimenten umgesetzt werden. „Diese beiden Zugänge ergänzen sich perfekt“, betont der Theoretiker Peter Zoller. „Wir können die Experimente in Teilchenbeschleunigern nicht ersetzen. Mit der Entwicklung von Quantensimulatoren lassen sich diese Experimente aber möglicherweise einmal besser verstehen.“ Experimentalphysiker Rainer Blatt ergänzt: „Darüber hinaus lassen sich in Quantensimulationen auch neue Prozesse studieren. So haben wir in unserem Experiment die bei der Paarerzeugung entstehende Verschränkung untersucht, was in einem Teilchenbeschleuniger nicht möglich wäre.“ Die Physiker sind überzeugt, dass zukünftige Quantensimulatoren das Potential haben werden, wichtige Probleme der Hochenergiephysik, die mit klassischen Methoden nicht mehr behandelbar sind, zu lösen.

Grundstein für neues Forschungsfeld

Die Idee für die Verbindung der beiden Felder wurde erst vor einigen Jahren konkretisiert und nun erstmals auch experimentell umgesetzt. „Konzeptuell unterscheidet sich dieser Ansatz wesentlich von den bisherigen Quantensimulationen von Problemen der Festkörperphysik oder der Quantenchemie. Aufgrund der theoretischen Komplexität muss die Simulation von Elementarteilchenprozessen ganz besondere Erfordernisse erfüllen. Entsprechend schwierig ist es, ein taugliches Protokoll dafür zu entwickeln“, betont Peter Zoller. Aber auch die Experimentatoren waren entsprechend gefordert: „Dies ist eines der komplexesten Experimente, das bisher in einem Ionenfallen-Quantencomputer durchgeführt wurde“, erzählt Rainer Blatt. „Wir lernen gerade erst, wie diese Quantensimulationen funktionieren und werden sie dann nach und nach auch auf größere Fragestellungen anwenden können.“ Entscheidend für diesen Durchbruch war das enorme Know-how der Innsbrucker Physiker sowohl im theoretischen als auch im experimentellen Bereich. „Wir forschen seit Jahren sehr erfolgreich am Quantencomputer und haben viel Erfahrung in der Umsetzung gewonnen“, betonen Rainer Blatt und Peter Zoller. In der Quantenmetropole Innsbruck arbeiten Theorie und Experiment auf höchstem Niveau zusammen und können so gemeinsam in Wissensbereiche vordringen, die zuvor noch niemand betreten hat.

Finanziell gefördert wurden die Wissenschaftler der Universität Innsbruck und des Instituts für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften unter anderem vom österreichischen Wissenschaftsfonds FWF, der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina, der Europäischen Union und der Tiroler Industrie.