Experimentalphysikerin Francesca Ferlaino erhielt den Cécile DeWitt-Morette, School of Physics of the Houches Preis, den die Französische Akademie der Wissenschaften in diesem Jahr zum ersten Mal vergab. Der Preis erinnert an die französische Physikerin Cécile DeWitt-Morette, die in Savoyer Alpen eine international bekannte Denkwerkstatt für die moderne Physik gegründet hat.
Francesca Ferlaino wurde Mitte Oktober für ihre international beachteten Forschungen mit ultrakalten Gasen mit dem Cécile DeWitt-Morette, School of Physics of the Houches Preis ausgezeichnet. Cécile DeWitt-Morette war eine französische theoretische und mathematische Physikerin. Sie hat das bekannte Forschungs- und Begegnungszentrum in Les Houches begründet und ist 2017 verstorben. Die von der französischen Akademie der Wissenschaften verliehene Auszeichnung ist mit 15.000 Euro dotiert. Bereits im September erhielt Francesca Ferlaino in Spanien den BEC 2019 Junior Preis und wurde zum Fellow der American Physical Society (APS) gewählt. Damit wurden ihre bahnbrechenden Arbeiten zur Bose-Einstein-Kondensation von dipolaren Erbium-Atomen und allgemein entarteten Quantengasen mit weitreichenden Wechselwirkungen und zur Realisierung neuer Quantenphasen von Materie mit solchen Systemen gewürdigt.
Quantenmaterie verstehen
Mit Hilfe von ultrakalten Gasen können im Labor gezielt quantenphysikalische Phänomene herbeigeführt und erforscht werden. Francesca Ferlaino arbeitet mit Metallen der seltenen Erden, wie sie heute in vielen Schlüsseltechnologien eingesetzt werden. Diese relativ schweren chemischen Elemente bieten faszinierende Möglichkeiten, denn die meisten von ihnen sind stark magnetisch und verfügen über viele, für Bindungen wichtige Valenzelektronen. „Die Atome der Lanthanoide zeigen aufgrund dieser Eigenschaften ein sehr komplexes Verhalten, das wir in unseren Experimenten kontrollieren und untersuchen können“, erzählt die Physikerin. Mit ihrem Team hat sie 2012 das erste Bose-Einstein-Kondensat mit Erbium und kurz darauf das erste entartete Fermigas der gleichen Spezies erzeugt. Erst kürzlich konnte ihr Team zeitgleich mit Forschern in Pisa und Stuttgart erstmals suprasolide Zustände in Quantengasen beobachten. „Uns geht es darum, die Quanteneigenschaften der Materie noch besser zu verstehen“, sagt die Preisträgerin.
Francesca Ferlaino kam nach ihrem Studium in Neapel, Triest und Florenz im Jahr 2007 nach Innsbruck, wo sie seit 2014 als Professorin an der Universität Innsbruck sowie als wissenschaftliche Direktorin am Institut für Quantenoptik und Quanteninformation der Österreichischen Akademie der Wissenschaften tätig ist. Die Trägerin hoher Auszeichnungen und Ehrungen sorgte mit Arbeiten auf dem Gebiet ultrakalter Quantengase international für Aufmerksamkeit. 2013 wurde ihr eine Alexander-von-Humboldt-Professur zuerkannt, die sie zugunsten ihrer Tätigkeit in Innsbruck aber ablehnte.
DeWitt-Morette: Erste Preisträgerin
Der Cécile DeWitt-Morette, School of Physics of the Houches-Preis der französischen Akademie der Wissenschaften wurde 2019 ins Leben gerufen, um das Andenken an Cécile DeWitt-Morette, Gründerin der École de Physique des Houches, zu würdigen. Die Partner des Zentrums in Les Houches, die Universität Grenoble Alpes, das CNRS, das CEA, Grenoble INP und die École Normale Supérieure de Lyon, haben diesen internationalen und ab diesem Jahr jährlich zu vergebenden Preis in Höhe von 15.000 Euro gestiftet. Mit dem Preis wird ein/e Wissenschaftler/in unter 55 Jahren ausgezeichnet, die oder der herausragende Leistungen auf dem Gebiet der Physik erbracht hat. Der Preis deckt alle Bereiche der Physik ab, von der Grundlagenphysik bis hin zu ihren Anwendungen. Die Kandidatin oder der Kandidat muss am Programm der École de Physique des Houches teilgenommen haben, entweder als Lehrer, Studierender oder Organisator. Die Jury besteht aus Mitgliedern der Akademie der Wissenschaften.