Wenn es darum geht, immer faszinierendere Quantensysteme zu schaffen, müssen ständig neue Wege gefunden werden, um sie in einer Vielzahl von physikalischen Szenarien zu beobachten. Cindy Regal (JILA) und Ana Maria Rey (JILA und NIST) haben gemeinsam mit Oriol Romero-Isart (Universität Innsbruck und IQOQI), gezeigt, dass ein gefangenes Atom mit ganz einfachen Mitteln seinen vollen Quantenzustand offenbart. Dies eröffnet neue Möglichkeiten zur Untersuchung des Quantenzustands von immer größeren Teilchen.
In der Quantenwelt verhält sich ein Atom nicht wie ein Punktteilchen, sondern eher wie eine Welle. Seine Eigenschaften (z. B. seine Position und Geschwindigkeit) werden durch die sogenannte Wellenfunktion des Atoms beschrieben. Eine Möglichkeit, etwas über die Wellenfunktion eines Teilchens zu erfahren, besteht darin, das Atom fliegen zu lassen und dann seinen Standort mit einer Kamera zu erfassen.
Mit den richtigen Tricks lassen sich Bilder des Quantenzustands eines Teilchens aus vielen Blickwinkeln aufnehmen, was als Quanten-Tomographie bezeichnet wird ("tomo" ist griechisch für Scheibe oder Schnitt, und "graphy" bedeutet beschreiben oder aufzeichnen). In einer in Nature Physics veröffentlichten Arbeit verwendeten die Forscher*innen ein Rubidiumatom, das sorgfältig in einem bestimmten Bewegungszustand in einem eng fokussierten Laserstrahl, einer sogenannten optischen Pinzette, platziert wurde. Indem sie das Atom in der optischen Pinzette sich weiter bewegen ließen, konnten sie es aus vielen Blickwinkeln beobachten. Wie bei einer Kugel, die in einer Schüssel rollt, ändern sich zu verschiedenen Zeiten die Geschwindigkeit und der Ort des Teilchens, und wenn man zum richtigen Zeitpunkt Bilder von der Kugel aufnimmt, kann man den Zustand des Teilchens aus vielen Blickwinkeln betrachten.
Die Forscher verwendeten mehrere Bilder von Time-of-Flight-Kameras für die Tomographie und rekonstruierten den Quantenzustand ihres gefangenen Atoms ohne weitere Hilfsmittel. Die Quantentomographie zeigte Merkmale, die man bei einem Atom im klassischen Zustand nicht finden würde, die aber zum Verständnis der kombinierten Messmuster eine echte Quantenbeschreibung erfordern.
Fliegende Teilchen
Gefangene Atome, die sich quantenmechanisch verhalten, sind für das JILA nichts Neues, und Time-of-flight ist eine Methode, mit der die Experimentatoren oft etwas über die Impulsverteilung einer Ansammlung von Atomen erfahren.
Ein Grund dafür, dass die Forscher*innen über dieses Experiment mit einem einzelnen Atom nachdachten, waren Protokolle, die für große gefangene Teilchen vorgeschlagen wurden, bei denen viele Atome in einem Festkörper zusammenhalten und sich als Einheit bewegen. „Nanopartikel sind feste Objekte, die Milliarden von Atomen enthalten, und dazu verwendet werden können, die Quantenmechanik in großem Maßstab zu untersuchen“, erklärt Oriol Romero-Isart. „Einige der Ideen und Protokolle, die wir in diesem Zusammenhang theoretisch entwickelt haben, können mit einzelnen Atomen untersucht werden, indem man die hervorragende Kontrolle nutzt, die das Team von Cindy Regal in ihrem Labor hat.“
Romero-Isart schlug 2011 in einer Arbeit vor, dass Time-of-Flight in Kombination mit dem kohärenten Rollenlassen eines einzelnen Teilchens in einer Falle zu einer vollständigen Quantentomografie führen könnte. Und im Gegensatz zu vielen Techniken, die häufig für die Quantentomografie verwendet werden, wäre sie auf jedes Teilchen anwendbar, solange es von einer Kamera gesehen werden kann. „Quanten-Tomographie ist auf viele verschiedene Arten für eine Vielzahl von Teilchen und Systemen durchgeführt worden“, erklärt Regal. Die von den Forscher*innen angewandte Technik ist jedoch verblüffend einfach, denn man wartet einfach auf den richtigen Zeitpunkt während der Aufnahme und lässt das Atom fliegen. „Quanten-Tomographie ist ein Protokoll, das darauf abzielt, den vollständigen Quantenzustand eines Systems zu bestimmen“, sagt Ana Maria Rey, JILA- und NIST-Fellow. Romero-Isart fügt hinzu: „Da in der Quantenmechanik eine Messung den Zustand des Systems stört, muss es für Quantentomographie möglich sein, das Experiment unter identischen Bedingungen zu wiederholen.“
Regal, Rey und Romero-Isart wollten herausfinden, ob eine optische Pinzette eine ausreichend kontrollierte Plattform ist, um ein nachweisbares Quantenverhalten für ein einzelnes Teilchen zu beobachten, wobei das einzelne Teilchen in diesen Experimenten ein Atom ist.
Bedienung der Kamera
Mit Hilfe der optischen Pinzette konnten Cindy Regal und ihr Team die Bewegung des Atoms aufzeichnen, nachdem sie es aus der Falle entlassen hatten. „Für dieses Experiment haben wir uns Rubidium-Atome angesehen“, so Regal weiter. „Wir erzeugen viele einzelne identische Atome, etwa 60.000 Mal, und jedes Mal wird das Atom nominell im gleichen Zustand erzeugt.“ Indem sie diesen Vorgang immer und immer wieder wiederholten, konnten die Forscher eine Art Bild erzeugen, das die Geschwindigkeit oder den Impuls des Atoms zu dem Zeitpunkt zeigt, an dem es aus der Falle entlassen wurde. „Stellen Sie sich zum Beispiel ein Teilchen vor, das einen sehr geringen Impuls hat“, sagt Rey. „Wenn wir es freilassen, wird es sich kaum bewegen und wir werden es nach einiger Zeit sehr nahe an seiner Ausgangsposition finden. Andererseits wird sich ein sehr energiereiches Teilchen sehr schnell bewegen, nachdem wir es aus der Falle entlassen haben, und wir werden es sehr weit weg finden. Eine Karte der Positionen nach längerer Zeit ermöglicht es uns also, den Impuls zum Zeitpunkt der Freisetzung zu bestimmen.“
Die Kamera, mit der diese Bilder aufgenommen wurden, unterschied sich von den Kameras, die Regal in der Vergangenheit verwendet hat, um solche Bilder zu erstellen. „Da wir die Atome während ihres Fluges schnell fotografieren mussten, ist es wichtig, so viele Photonen wie möglich vom Atom einzufangen und die Kamera für geringes Rauschen zu optimieren“, so Regal.
Anschließend wurde eine neue Aufnahme gemacht, indem die Versuchsreihe wiederholt wurde, wobei das System zu einem anderen Zeitpunkt aufgenommen wurde.
Quantenzustände abbilden
Mit Hilfe aller Videobilder konnte das Team dann die Quantenzustände des Atoms abschätzen. „Ein wichtiger Beitrag der Theorie bestand darin, die so genannte Wigner-Funktion des Zustands (die die Wellenfunktion eines Quantenzustands mit einer Wahrscheinlichkeitsverteilung im Orts- und Impulsraum verbindet) aus experimentellen Messungen rekonstruieren zu können“, erklärt Rey.
„Ein wesentliches Ergebnis der Arbeit war es, das Atom in einem Zustand zu präparieren, der vollständig quantenmechanisch ist und keine klassische Beschreibung zulässt“, so Rey weiter. „Wir konnten zeigen, dass der Zustand selbst unter Berücksichtigung kleiner Unvollkommenheiten und systematischer Fehler, die im Experiment unvermeidlich sind, eine negative Wigner-Funktion beibehält, was nur bei echten Quantenzuständen möglich ist.“ Die Fähigkeit, eine Ein-Atom-Wellenfunktion mit negativer Wigner-Funktion herzustellen und zu messen, zeigt den Erfolg des von den Forschern implementierten Quantenprotokolls. Diese Messmethode wird sich als nützlich erweisen, um die Leistung der Quantenzustandskontrolle in optischen Pinzetten zu überprüfen, die für die Quanteninformation und die Metrologie mit neutralen Atomen immer wichtiger wird.
Da sich ein Großteil der Quantenphysik um die Isolierung und Manipulation atomarer Zustände dreht, bieten die Ergebnisse dieses Experiments vielversprechende neue Wege für weitere Untersuchungen. „Es liegen spannende Wege vor uns“, sagt Rey. Regal, Rey und Romero-Isart werden ihre Zusammenarbeit fortsetzen und nicht nur Parallelen zwischen der Abbildung von Quantenzuständen neutraler Teilchen ziehen, sondern auch beliebige Bewegungsquantenzustände erzeugen und die Konzepte auf weitere Fallen und Atome ausweiten. Diese Untersuchungen werden die Grenzen der Quantenkontrolle, die durch optische Pinzetten ermöglicht wird, weiter ausdehnen.
(Kenna Castleberry/JILA, Übersetzung: Redaktion)