075b71ebbee1f5ca0675bdddbedebf37_triplet_lowres.jpg
Bild: Die schwach gebundenen Moleküle (oben) werden durch einen Laserpuls in einen tiefgebundenen Grundzustand (unten) überführt. Grafik: Florian Lang

[2008-09-26] Forscher um Johannes Hecker Denschlag und Rudolf Grimm vom Institut für Experimentalphysik der Universität Innsbruck haben ein ultrakaltes Quantengas von Molekülen im Rotations- und Vibrationsgrundzustand erzeugt. Es ist die innere Stabilität solcher Moleküle, die zu einer Reihe von neuen Anwendungen führt, zum Beispiel im Bereich der Chemie.

Standen bis jetzt nur äußerst fragile Moleküle für Experimente mit ultrakalten Quantengasen zur Verfügung, so ändert sich das mit den neuesten Ergebnissen der Innsbrucker Physiker. Die Forscher versetzten ursprünglich schwach gebundene Moleküle in einem Quantengas kontrolliert in einen Grundzustand. In diesem Zustand besitzen die Teilchen die niedrigst mögliche Vibrations- und Rotationsenergie und sind deshalb besonders stabil. „Wir nähern uns mit diesem Experiment jenem Bereich, in dem wir mehrere Moleküle sehr kontrolliert miteinander reagieren lassen können, ohne dass sie sofort zerfallen", erläutert Hecker Denschlag. „So könnten in Zukunft chemische Reaktionen von komplexen Molekülen in bisher ungekannter Präzision studiert und gesteuert werden. Dabei können wir jeden Zufall ausschließen." Weitere mögliche Anwendungen ultrakalter Grundzustandsmoleküle liegen in Präzisionsmessungen und beim Bau von Quantencomputern sowie in der Beschreibung völlig neuer Materiezustände.

Exakte Kontrolle

Ausgangspunkt für das Experiment ist ein Bose-Einstein-Kondensat aus Rubidium-Atomen bei Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt von minus 273,15 Grad Celsius. Über dieses Kondensat wird mit Lasern ein dreidimensionales, optisches Gitter gelegt, sodass an jedem Gitterplatz zwei Atome zu liegen kommen. Mit Hilfe eines kontrollierten, resonanten Stoßes werden diese Atome dann in ein sehr schwach gebundenes Molekül überführt. Dieses wird wiederum durch einen Laserpuls in den tiefgebundenen Triplett-Grundzustand gebracht, in dem es für weitere Experimente zur Verfügung steht. „Wir können jetzt mit Molekülen ähnlich arbeiten, wie Chemiker das gemeinhin tun", erzählt Johannes Hecker Denschlag, der für seine herausragenden Leistungen Anfang dieses Jahres mit dem Rudolf-Kaiser-Preis ausgezeichnet worden war. „Der Vorteil unseres Experiments ist, dass wir alle Parameter sehr genau kontrollieren, was bei der großen Komplexität von Molekülen ein enormer Fortschritt ist."

Ähnliche Ergebnisse aus Freiburg

Die Forschungsarbeit wurde vom österreichischen Wissenschaftsfonds (FWF) unterstützt und in der Fachzeitschrift Physical Review Letters veröffentlicht. Eben dort haben Wissenschaftler der Innsbrucker Partneruniversität Freiburg in Deutschland gleichzeitig ein ähnliches Experiment publiziert. Der Arbeitsgruppe um Matthias Weidemüller vom Physikalischen Institut der Universität Freiburg ist es mit einer anderen Methode ebenfalls gelungen, ultrakalte Moleküle in den Grundzustand zu versetzen.

Zentrum der Erforschung ultrakalter Moleküle

Schon vor fünf Jahren ließen die Innsbrucker Experimentalphysiker um Rudolf Grimm aufhorchen, als sie erstmals ein Bose-Einstein-Kondensat aus sehr schwach gebundenen Molekülen erzeugten. Seither versuchten Forschergruppen in der ganzen Welt, Quantengase auch mit Molekülen im Grundzustand experimentell herzustellen. Die Innsbrucker Physiker waren von Anfang an erfolgreich bei diesem Wettlauf dabei. Neben den nun präsentierten Resultaten gelang es z.B. erst unlängst einer Gruppe um START-Preisträger Hanns-Christoph Nägerl ein erstes Quantengas aus stark gebundenen Molekülen zu realisieren. Sie berichteten darüber in der Zeitschrift Science.