[2013-12-19] Die Jagd nach Majorana-Fermionen ist längst eröffnet, jetzt machen auch Quantenphysiker Vorschläge für die Suche nach dem exotischen Quasiteilchen. Die Nachwuchswissenschaftlerin Christina Kraus präsentiert gemeinsam mit Kollegen zwei neue Konzepte für den Nachweis und die mögliche Nutzung von Majorana-Fermionen.
Seit Jahrzehnten sind Teilchenphysiker auf der Jagd nach Majorana-Fermionen. In letzter Zeit haben sie auch Konkurrenz von Festkörperphysikern erhalten. Alle wollen den experimentellen Nachweis für die Existenz dieses exotischen Zustands erbringen, den in den 1930er-Jahren der italienische Physiker Ettore Majorana vorgeschlagen hatte. Nach der Dirac-Gleichung existieren nämlich Teilchen, die ihre eigenen Antiteilchen sein können. In den letzten Jahren wurden zwar experimentelle Erfolge erzielt, diese bleiben aber umstritten.
Nun haben Theoretiker des Instituts für Theoretische Physik der Universität Innsbruck und des Instituts für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften um Christina Kraus einen neuen Vorschlag für den Nachweis von Majorana-Fermionen in einem System von kalten Atomen gemacht. Gleichzeitig zeigen sie, wie diese Quasiteilchen auch für die Quanteninformationsverarbeitung nutzbar gemacht werden könnten.
Während bisherige Vorschläge zur Erzeugung von Majorana-Fermionen mit ultrakalten Atomen auf die Kopplung an ein äußeres Bad angewiesen waren, ist das neue Konzept besser auf die experimentellen Möglichkeiten dieser Vielteilchensysteme zugeschnitten. „Dabei werden zwei Quantendrähte aus nebeneinander aufgereihten Atomen erzeugt und miteinander auf eine bestimmte Art und Weise gekoppelt“, erklärt Christina Kraus. „Wir konnten zeigen, dass an den Enden der Quantendrähte die gesuchten Majorana-Fermionen entstehen.“ In der in der Fachzeitschrift Physical Review Letters veröffentlichten Arbeit machen die Theoretiker überdies einen sehr konkreten Vorschlag, wie das Experiment im Labor umgesetzt werden könnte. „Mit diesem neuen Ansatz lassen sich die Majorana-Fermionen finden und studieren“, ist die Nachwuchsphysikerin überzeugt.
Rechnen mit Majorana-Fermionen
In einer weiteren, in Physical Review Letters erschienen Arbeit machen die Physiker um Christina Kraus einen Vorschlag, wie Majorana-Fermionen für die Quanteninformationsverarbeitung eingesetzt werden könnten. Dabei erzeugen sie durch den Austausch von Majorana-Fermionen Quantengatter. „Gegenüber herkömmlichen Quantensystemen bietet dies den Vorteil, dass dieses System sehr robust gegen äußere Störungen ist“, erklärt Kraus. „Der Nachteil ist freilich, dass sich mit Majorana-Fermionen kein universelles Set von Quantengattern erzeugen lässt.“ Dennoch könnte das nun vorgeschlagene Konzept dazu dienen, die grundsätzliche Realisierbarkeit von topologischen Quantencomputer zu beweisen. Dazu haben die Theoretiker ein Schema vorgeschlagen, mit dem Experimentalphysiker mit Hilfe von Majorana-Fermionen den Deutsch-Jozsa-Algorithmus umsetzen können. Dieser Quantenalgorithmus wurde 2003 in Innsbruck in einem Ionenfallen-Quantencomputer erstmals realisiert.
Diese von Christina Kraus und ihren Kollegen vorgelegten, theoretischen Konzepte könnten helfen, Majorana-Fermionen besser zu verstehen. „Das ist von sehr grundlegendem Interesse in der Physik“, sagt Christina Kraus. „Die vorgeschlagenen Experimente könnten aber auch das Verständnis von topologischen Supraleitern verbessern und schließlich das Tor für die Nutzbarmachung von Majorana-Fermionen in der Quanteninformationsverarbeitung öffnen.“
Zur Person
Die Nachwuchswissenschaftlerin Christina Kraus hat an der LMU München Physik studiert und bei Ignacio Cirac am Max-Planck-Institut für Quantenoptik in Garching über Quanteninformationstheorie promoviert. 2011 kam sie in die Arbeitsgruppe von Peter Zoller nach Innsbruck, um sich hier intensiver mit fermionischen Systemen zu beschäftigen.