Innsbrucker Experimentalphysiker haben erstmals dynamische Quantenphasenübergänge in einem Vielteilchensystem im Labor direkt beobachtet. Sie berichten darüber in der Fachzeitschrift Physical Review Letters.
In den letzten Jahren hat das Interesse an Nichtgleichgewichtszuständen in Quantenvielteilchensystemen rasant zugenommen. Angetrieben wurde die Entwicklung durch rasante experimentelle Fortschritte, die es nun unter anderem möglich machen, exotische Phänomene wie Vielteilchen-Lokalisation, Teilchen-Antiteilchen-Bildung und lichtinduzierte Supraleitung zu studieren. Ein weiterer Fortschritt wird allerdings durch die Tatsache behindert, dass derzeit keine einheitliche theoretische Grundlage für das Verständnis dieser dynamischen Phänomene existiert. Die kürzlich vorgeschlagene Theorie der dynamischen Quantenphasenübergänge (DQPTs) könnte diese Lücke nun füllen.
Innsbrucker Physiker um Rainer Blatt und Christian Roos berichten in der Fachzeitschrift Physical Review Letters über die erste experimentelle Beobachtung und eingehende Analyse von dynamischen Quantenphasenübergängen in einem Quantensimulator. Die Forscher nutzten dafür gefangene Ionen in Kombination mit Laserlichtfeldern. Sie verfügen damit über ein Vielteilchensystem, in dem die einzelnen Teilchen und deren Wechselwirkungen sehr exakt kontrolliert werden können. Für das Experiment stellten die Physiker die Wechselwirkungen so ein, dass ein sogenanntes transverses Ising-Modell entsteht, ein Modell von wechselwirkenden Magneten in einem externen Magnetfeld, in dem die Ionen die Rolle der Quantenmagnete übernehmen und Laserlicht die Wechselwirkung zwischen den Magneten und dem externen Feld vermittelt.
Die Forscher präparierten die Quantenmagnete im tiefsten Energieniveau, dem sogenannten Grundzustand, und schalteten unvermittelt das externe Magnetfeld ein. Diese plötzliche Veränderung in der Umgebung der Magnete löste eine zeitliche Dynamik aus, die die Forscher eingehend analysierten. Im Unterschied zu natürlichen Systemen erlaubt der Innsbrucker Quantensimulator die exakte Kontrolle jedes einzelnen Teilchens. Dies ermöglicht es den Wissenschaftlern ihre Messung auf die Grundzustände zu beschränken. Sie fanden ein sehr exotisches Verhalten, das aber von der DQPT-Theorie vorhergesagt wird: Die Magnetisierung der Grundzustände zeigt eine nichtanalytische zeitliche Entwicklung in Form von scharfen Knicken, einer für die Theorie typischen Charakteristik.
Die Arbeit liefert einen neuen Ansatz für die Untersuchung von Nichtgleichgewichtszuständen. Die Ergebnisse werden das Verständnis, die Interpretation und das experimentelle Instrumentarium für zukünftige Studien von dynamischen Quantenphasenübergängen in Vielteilchensystemen stark beeinflussen.