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IQOQI Innsbruck/Harald Ritsch

Bald schon wollen Physiker mit Hilfe von Quantensimulatoren Probleme lösen, an denen herkömmliche Computer scheitern. Dafür benötigen sie aber neue Werkzeuge, um sicherzustellen, dass die Simulatoren richtig arbeiten. Forscher um Rainer Blatt und Christian Roos haben nun gemeinsam mit Forschern der Universitäten Ulm und Strathclyde ein neues Verfahren im Labor umgesetzt, mit dem auch komplexe Quantenzustände effizient charakterisiert werden können.

Viele Phänomene der Quantenwelt lassen sich im Labor nicht direkt untersuchen, und auch Supercomputer scheitern beim Versuch, sie zu simulieren. Wissenschaftler sind heute aber in der Lage, verschiedene Quantensysteme im Labor sehr präzise zu kontrollieren. Diese können genutzt werden, um andere Quantensysteme nachzuahmen - zu simulieren. Quantensimulatoren gelten deshalb als eine der ersten konkreten Anwendungen der zweiten Quantenrevolution.
Als schwierig erweist sich allerdings noch die vollständige Charakterisierung von großen und komplexen Quantenzuständen, die für reale Simulationen notwendig ist. Der aktuelle Goldstandard für Quantenzustandsanalysen im Labor - die Quantenzustands-Tomographie - eignet sich nur für kleine Quantensysteme, denn mit zunehmender Größe steigt deren Aufwand exponentiell an. Nun haben Forscherinnen und Forscher um Rainer Blatt vom Institut für Experimentalphysik der Universität Innsbruck und dem Institut für Quantenoptik und Quanteninformation der Österreichischen Akademie der Wissenschaften erstmals ein neues Verfahren im Labor etabliert, mit dem sich auch komplexe Quantenzustände effizient charakterisieren lassen.

Mit vereinten Kräften

In Ionenfallen werden Teilchen auf Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt abgekühlt und mit Hilfe von Lasern manipuliert. Die Innsbrucker Quantenphysiker sind in diesem Bereich weltweit führend und können heute in Ionenfallen 20 und mehr Teilchen miteinander verschränken. Um solche Quantensysteme vollständig charakterisieren zu können, benötigen sie neue Methoden. Hier kamen ihnen Theoretiker um Martin Plenio von der Universität Ulm, Deutschland, zu Hilfe. Sie haben 2010 ein neues Verfahren für die Charakterisierung von komplexen Quantenzuständen vorgeschlagen. Mit der sogenannten Matrix-Produkt-Zustands-Tomographie lässt sich der Zustand einer großen Gruppe von Quantensystemen präzise abschätzen, ohne dass der Aufwand mit zunehmender Größe dramatisch ansteigt. Gemeinsam mit den Teams um Martin Plenio und Andrew Daley von der University of Strathclyde in Schottland haben die Innsbrucker Experimentalphysiker um Christian Roos, Ben Lanyon und Christine Maier dieses Verfahren nun im Labor umgesetzt.

Effizienter messen

Als Testfall bauten die Physiker einen Quantensimulator mit bis zu 14 Quantenbits, der zunächst in einem einfachen Ausgangszustand ohne Quantenkorrelationen präpariert wurde. In der Folge verschränkten die Forscher mit Laserlicht jeweils benachbarte Teilchen und beobachteten die dynamische Ausbreitung der Verschränkung im System. „Mit der Methode können wir den Quantenzustand des Gesamtsystems bestimmen, indem wir nur einen kleinen Bruchteil der Systemeigenschaften messen“, sagt START-Preisträger Ben Lanyon. Die Charakterisierung des globalen Quantenzustands aus den Messdaten übernahmen die Theoretiker um Martin Plenio: „Das Verfahren basiert darauf, dass wir lokal verteilte Verschränkung theoretisch sehr gut beschreiben und nun im Labor auch messen können.“
Als die Arbeitsgruppe von Rainer Blatt 2005 das erste Quantenbyte realisierte, waren für die Charakterisierung des Quantenzustands über 6.000 Messungen in einen Zeitraum von zehn Stunden nötig. Mit der neuen Methode werden dafür nur noch 27 Messungen in rund 10 Minuten gebraucht. „Wir konnten zeigen, dass mit diesem Verfahren auch große und komplexe Quantenzustände effizient bestimmt werden können“, freut sich Christine Maier aus dem Innsbrucker Team. Nun wollen die Wissenschaftler die Algorithmen so weiterentwickeln, dass sie auch von anderen Forschungsgruppen flexibel eingesetzt werden kann.

Neuer Goldstandard

Das neue Verfahren erlaubt die Charakterisierung von großen Quantenvielteilchensystemen im Labor und schafft damit auch eine Vergleichsmöglichkeit für Quantensimulationen. „Wir können mit den Messungen Quantensimulatoren kalibrieren, indem wir sie mit analytischen Berechnungen vergleichen“, erklärt Christian Roos. „Dann wissen wir, ob der Simulator das macht, was wir wollen.“ Die neue Methode bietet den Physikern ein Werkzeug für viele Anwendungen und könnte ein neuer Standard für Quantensimulationen werden.

Finanziell unterstützt wurde die Arbeit unter anderem vom österreichischen Wissenschaftsfonds FWF und der Europäischen Union.