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Eine fermionische Kaliumwolke, links ohne Wechselwirkung und rechts in Wechselwirkung mit Dysprosium.

Wissenschaftler beobachten im Labor Wolken aus extrem stark abgekühlten Atomen, um virtuell in das Innere eines Neutronensterns einzutauchen oder an den Beginn des Universums zurückzukehren. Denn spezielle Quantengase zeigen ähnliche physikalische Eigenschaften. Ein Team um Rudolf Grimm hat nun das erste stabile gemischte Fermi-Gas aus unterschiedlich schweren Elementen erzeugt und will damit neue superfluide Zustände beobachten.

Die Welt der Elementarteilchen kann in Bosonen und Fermionen unterschieden werden. Zur Familie der Fermionen gehören Elektronen und Quarks, aber auch zusammengesetzte Teilchen, die aus einer ungeraden Zahl von Quarks bestehen, wie Protonen oder Neutronen. Bei Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt nehmen Fermionen einen Zustand ein, in dem sie nicht mehr miteinander wechselwirken, sie bilden ein Fermi-Gas. Wenn sich allerdings Fermionen zu Paaren zusammenschließen, werden diese zu Bosonen, die sehr stark miteinander wechselwirken können und so neuartige Materiezustände bilden. Eine Möglichkeit dafür ist die Bildung von Molekülen, die dann in den Zustand eines Bose-Einstein-Kondensats übergehen können. Dies wurde erstmals 2003 nahezu zeitgleich von den Arbeitsgruppen um Rudolf Grimm an der Universität Innsbruck und Deborah Jin am amerikanischen JILA hergestellt. Fermionen können auch über größere Entfernungen miteinander wechselwirken, wie dies bei Elektronenpaaren in Supraleitern geschieht. 

Gemisch aus Dysprosium und Kalium

Ultrakalte Gase sind eine ideale Plattform, um die Eigenschaften von Vielteilchensystemen im Labor zu untersuchen. Seit einigen Jahren werden auch gemischte Fermi-Gase aus unterschiedlichen Elementen erzeugt. Der Massenunterschied ist dabei der Schlüssel zu neuartigen Materiezuständen, doch waren derartige Systeme bisher nicht stabil genug. Nun ist es der Gruppe um Rudolf Grimm am Institut für Experimentalphysik der Universität Innsbruck und am Institut für Quantenoptik und Quanteninformation der Österreichischen Akademie der Wissenschaften erstmals gelungen, ein stabiles, stark wechselwirkendes Fermionengemisch aus Elementen unterschiedlicher Masse zu erzeugen. Sie nutzen dazu Isotope der Elemente Dysprosium und Kalium.

Fermionengemisch

Das in einem winzigen Käfig aus Laserlicht auf wenige Milliardstel Grad heruntergekühlte Atomgemisch wird mit einem starken Magnetfeld, mit dem die Forscher die Anziehungskraft zwischen den Atomen nach Wunsch verändern können, in ein stark wechselwirkendes Fermi-Gas verwandelt. Das Team um Rudolf Grimm hat eine sogenannte Feshbach-Resonanz entdeckt, bei der mit Hilfe des Magnetfelds die benötigte Wechselwirkung zwischen den Teilchen hergestellt werden kann. Wie bisher nur bei massegleichen Teilchengemischen beobachtet, erweist sich auch hier das System als sehr stabil. „Die Teilchen zeigen eine starke Wechselwirkung und die Lebensdauer des Gemischs ist sehr lang”, freut sich Rudolf Grimm. „Dies sind genau jene Voraussetzungen, um lange gesuchte, neue superfluide Zustände zu untersuchen.“ Diesen Zuständen will das Team um Grimm nun in ihrem Experiment weiter auf die Spur kommen. Dies ist interessant, weil Fermi-Gase als Modell für viele Phänomene in der Natur herangezogen werden können, wie etwa der Zustand im Inneren von Neutronensternen, der Materie wenige Mikrosekunden nach dem Urknall oder der Hochtemperatursupraleitung.

Die Ergebnisse der Forschungsgruppe um Rudolf Grimm wurden nun in der Fachzeitschrift Physical Review Letters veröffentlicht. Finanziell gefördert wurde die Arbeit durch den österreichischen Wissenschaftsfonds FWF.