Innsbrucker Experimentalphysikern um Gerhard Kirchmair ist es zusammen mit Theoretischen Physikern aus Finnland erstmals gelungen, in supraleitenden Quantenbits geschützte Quantenzustände – sogenannte Dunkelzustände – zu kontrollieren. Die verschränkten Zustände sind 500-mal robuster und könnten zum Beispiel bei Quantensimulationen eingesetzt werden. Das Verfahren könnte auch auf anderen technologischen Plattformen Verwendung finden.
Im Labor von Gerhard Kirchmair am Institut für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften werden supraleitende Quantenbits an Wellenleiter gekoppelt. Werden mehrere dieser Quantenbits in den Wellenleiter eingebaut, wechselwirken diese miteinander und es entstehen sogenannte Dunkelzustände. „Das sind verschränkte Quantenzustände, die von der Außenwelt völlig entkoppelt sind“, erläutert Max Zanner, Erstautor der Publikation. „Sie sind sozusagen unsichtbar, deshalb sprechen wir von Dunkelzuständen.“ Diese Zustände sind für Quantensimulationen oder die Verarbeitung von Quanteninformation von Interesse – entsprechende Vorschläge wurden in den vergangenen Jahren mehrfach gemacht. Bis heute ist es aber nicht gelungen, diese Dunkelzustände auch entsprechend zu kontrollieren und zu manipulieren. Nun hat das Team um Gerhard Kirchmair ein System entwickelt, mit dem die Dunkelzustände von supraleitenden Schaltkreisen in einem Mikrowellenleiter von außen beeinflusst werden können.
Beliebig erweiterbar
„Bisher war das Problem immer: Wie lassen sich Dunkelzustände kontrollieren, die von der Umwelt völlig entkoppelt sind“, erzählt Gerhard Kirchmair, der auch Professor für Experimentalphysik an der Universität Innsbruck ist. „Mit einem Trick ist es uns nun gelungen, Zugriff auf diese Dunkelzustände zu finden.“ Sein Team hat vier supraleitende Quantenbits in einen Mikrowellenleiter eingebaut und seitlich zwei Kontrollleitungen angebracht. Mittels Mikrowellenstrahlung über diese Zuleitungen lassen sich die Dunkelzustände manipulieren. Gemeinsam bilden die vier supraleitenden Schaltkreise ein robustes Quantenbit mit einer Speicherzeit, die rund 500-mal länger ist als jene der einzelnen Schaltkreise. In diesem Quantenbits existieren mehrere Dunkelzustände gleichzeitig, die für Quanten-Simulationen und Quanten-Informationsverarbeitung genutzt werden können. „Im Prinzip kann dieses System beliebig erweitert werden“, sagt Gerhard Kirchmair.
Das erfolgreiche Experiment bildet den Startpunkt für weitere Untersuchungen von Dunkelzuständen und deren Anwendungsmöglichkeiten. Diese liegen zunächst vor allem im Bereich der Grundlagenforschung, wo es noch viele offene Fragen zu den Eigenschaften solcher Quantensysteme gibt. Das von den Innsbrucker Physikern entwickelte Konzept zur Kontrolle von Dunkelzustände kann prinzipiell nicht nur mit supraleitenden Quantenbits, sondern auch auf anderen technologischen Plattformen umgesetzt werden. „Die von uns verwendeten Schaltkreise, die wie künstliche Atome funktionieren, haben jedoch Vorteile gegenüber echten Atomen, die wesentlich schwieriger stark an einen Wellenleiter gekoppelt werden können“, betont Kirchmair.
Die Fachzeitschrift Nature Physics veröffentlichte die Ergebnisse in der aktuellen Ausgabe. Die Forschungen wurden unter anderem vom österreichischen Wissenschaftsfonds FWF und der Europäischen Union finanziell unterstützt. Maximilian Zanner und Christian Schneider sind Mitglieder des FWF-Doktoratskollegs Atome, Licht und Moleküle (DK-ALM).