[2012-07-13] Theoretiker aus Innsbruck und Pittsburgh um Hannes Pichler haben eine neue Methode gefunden, mit der Verschränkung in Experimenten mit kalten Atomen in optischen Gittern gemessen werden kann. Verschränkung ist eine fundamentale Eigenschaft von Vielteilchensystemen und bildet die Grundlage für die Entwicklung neuer Quantentechnologien.
Viele Phänomene in unserer Welt können nur mit Hilfe der Quantenphysik erklärt werden: die Struktur von Atomen und Molekülen, chemische Reaktionen, Materialeigenschaften, der Magnetismus und möglicherweise auch manche biologische Prozesse. Die Wissenschaft stößt beim Verständnis dieser Prozesse aber schnell an Grenzen, weil deren Komplexität mit der wachsenden Zahl der beteiligten Quantenteilchen rapide ansteigt. Herkömmliche Computer scheitern rasch an der Berechnung solcher Probleme. Physiker arbeiten deshalb seit einigen Jahren an Quantensimulatoren, die ähnlich wie Quantencomputer die besonderen Eigenschaften der Quantenphysik nutzen. „Mit Quantensimulatoren können andere Quantensysteme simuliert werden“, erklärt Hannes Pichler vom Institut für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI). „In den vergangenen Jahren wurden große Fortschritte in dieser Richtung gemacht, unter anderem in Experimenten mit kalten Atomen in optischen Gittern. Unser theoretischer Vorschlag zeigt nun auf, wie man mit Hilfe jüngst entwickelter Technologien Verschränkung in solchen Experimenten messen kann“, sagt Pichler, der in Innsbruck Physik studiert hat und seit dem Vorjahr in der Arbeitsgruppe um Prof. Peter Zoller forscht. Er hat den Vorschlag gemeinsam mit Prof. Zoller sowie Andrew Daley und Johannes Schachenmayer von der Universität Pittsburgh entwickelt. Daley war bis vor kurzem am IQOQI Innsbruck tätig und baut nun in den USA eine eigene Forschungsgruppe auf.
Messverfahren öffnet Türen für neue Experimente
Für die Umsetzung des vorgeschlagenen Messprotokolls wird ein optisches Gitter benötigt, in dem mehrere Kopien eines Quantenzustandes erzeugt werden können. „Dieses optische Gitter muss sich zudem so manipulieren lassen - zum Beispiel über ein sogenanntes optisches Supergitter -, dass die einzelnen Kopien kontrolliert gekoppelt werden können“, sagt Hannes Pichler. Außerdem wird ein sogenanntes Quantengas-Mikroskop benötigt, mit dem einzelne Atome in einem optischen Gitter sichtbar gemacht werden können. „Wir haben gezeigt, wie man diese "Zutaten" kombinieren muss, um Verschränkung sowie die Reinheit eines Vielteilchen-Quantenzustandes messen zu können“, so Pichler. Alle benötigten Techniken wurden bereits in Experimenten demonstriert, was den Vorschlag besonders interessant macht.
Die neue Methode schlägt eine Brücke zwischen hochaktuellen theoretischen Vorhersagen zu Verschränkung in verschiedenen Quantenphasen sowie Experimenten, in denen solche Phasen realisiert werden können. Denn die Forscher um Pichler zeigen auf, wie solche Vorhersagen in den Experimenten konkret überprüft werden können. „Darüber hinaus öffnet die Messmethode die Tür für eine Reihe neuer Experimente, die zum Beispiel fundamentale Fragen auf dem Weg zur Realisierung eines Quantensimulators beantworten können. Sie liefert aber auch eine neue Möglichkeit zur Diagnose von Quantensystemen, auch in einem Bereich, der der klassischen Simulation verschlossen bleibt“, erklärt Pichler.