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Bild: Das Team um Hanns-Christoph Nägerl.

[2008-02-29] Ein Team um START-Preisträger Hanns-Christoph Nägerl konnte die Wechselwirkung zwischen Atomen in einem ultrakalten Quantengas erfolgreich unterdrücken und damit ein quantenmechanisches Phänomen, so genannte Bloch-Oszillationen, erstmals langfristig und mit hoher Präzision beobachten. Die Forscher berichten darüber in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Physical Review Letters.

Schon in den Anfangsjahren der Quantenmechanik sagten Theoretiker ein Phänomen voraus, das verblüffte: Wird an einen idealen, störungsfreien Draht eine Spannung angelegt, fließt kein Strom – denn die Elektronen im Kristallgitter eines perfekten Festkörpers schwingen unter dem Einfluss einer konstanten Kraft um eine Ruhelage ohne sich fort zu bewegen. Diese Schwingung wurde nach einem der Begründer der Festkörperphysik, dem Schweizer Felix Bloch, benannt. Erstmals experimentell beobachtet wurden die Bloch-Oszillationen in den 1990er-Jahren in speziellen Halbleiterstrukturen.

10 Sekunden lang beobachtet

Die Forschungsgruppe um a.Univ.-Prof. Dr. Hanns-Christoph Nägerl hat nun ein ultrakaltes Quantengas aus Cäsiumatomen als Modellsystem für die Untersuchung der Bloch-Oszillationen verwendet. „Wir mussten dazu die Wechselwirkung zwischen den Teilchen aufheben“, erklärt Nägerl, „weil sie sich sonst miteinander stoßen und die Schwingung aus dem Tritt kommt.“ Die Forscher legten dazu ein optisches Gitter über die ultrakalten Atome und nutzten eine so genannte Feshbach-Resonanz, um die störende Wechselwirkung zwischen den Teilchen zu unterdrücken. „Wir sind bisher die Einzigen weltweit, die das mit dieser Perfektion tun können“, zeigt sich Nägerl stolz. Die Atome werden durch die Schwerkraft beschleunigt und erhalten einen Impuls. An einem bestimmten Punkt werden sie abrupt abgebremst und zurückgeworfen. Die Forscher messen die Geschwindigkeit, mit der die Teilchen sich bewegen. „Aus der Impulsverteilung können wir die Bloch-Oszillationen mit großer Genauigkeit ablesen“, freut sich der Experimentalphysiker. „Das Besondere an unserem Experiment ist, dass wir dieses Phänomen über zehn Sekunden lang beobachten können. Das ist in der Welt der Elementarteilchen eine halbe Ewigkeit.“

START-Preis zeitigt Ergebnisse

Anwendung könnte dieses Experiment in der noch genaueren Bestimmung von Naturkonstanten oder von fundamentalen physikalischen Größen wie der Gravitation finden. „Unsere Hoffnung ist es, dass damit Größen wie die Feinstrukturkonstante α mit bisher noch nicht gekannter Genauigkeit gemessen werden können“, so Prof. Hanns-Christoph Nägerl, der im Jahre 2003 mit dem höchsten österreichischen Nachwuchspreis für Wissenschaftler, dem START-Preis, ausgezeichnet wurde. Die aktuelle Arbeit entstand an einem Experiment, das in den vergangenen vier Jahren aufgebaut und aus den vom Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung (BMWF) und dem Wissenschaftsfonds (FWF) zur Verfügung gestellten Mitteln des START-Preises finanziert wurde. Durchgeführt wird das Forschungsprojekt am Institut für Experimentalphysik der Universität Innsbruck. Physiker vom European Laboratory for Non-Linear Spectroscopy (LENS) in Florenz führten ein ähnliches Experiment durch, dessen Ergebnisse gemeinsam mit der Innsbrucker Arbeit in der aktuellen Ausgabe von Physical Review Letters veröffentlicht wurde.