[2013-11-25] Experimentalphysiker Florian Schreck erhält vom Europäischen Forschungsrat einen ERC Consolidator Grant, dotiert mit bis zu 2 Millionen Euro. ERC Grants sind die wichtigste Einzelförderung für Forscherinnen und Forscher in Europa. Nach neun erfolgreichen Jahren in Österreich wird Florian Schreck Anfang Dezember eine Professur an der Universität Amsterdam antreten.
Der Europäische Forschungsrat (ERC) vergibt in diesem Jahr erstmals ERC Consolidator Grants für vielversprechende Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler mit sieben bis zwölf Jahren Forschungserfahrung. Florian Schreck erhält diese Förderung für seine Ideen zur Erforschung von Quantenvielteilchensystemen. Erst im Juni erhielt der seit kurzem in Innsbruck tätige Physiker Oriol Romero-Isart einen ERC Starting Grant zugesprochen. „Wir freuen uns sehr über diese Auszeichnungen“, sagt IQOQI-Direktor Rudolf Grimm. „Florian Schreck hat hier in Innsbruck Hervorragendes geleistet und nun mit dem ERC Grant und der Professur in Amsterdam sehr gute Möglichkeiten, diese Arbeit erfolgreich fortzusetzen. Für den Physikstandort Innsbruck ist es einmal mehr ein besonderes Zeichen der Anerkennung, dass unsere Nachwuchsforscherinnen und -forscher weltweit so gefragt sind und gleichzeitig die höchsten internationalen Preise einheimsen.“
Tiefer Blick in die Quantenwelt
Ensembles aus vielen Teilchen zeigen ein Verhalten, das sich nicht einfach aus den Gleichungen, die die einzelnen Teilchen beschreiben, ableiten lässt. „In der Quantenvielteilchenphysik ist das in den meisten Fällen sogar ganz prinzipiell mit klassischen Computern nicht möglich“, erklärt Florian Schreck. „Deswegen ist es wichtig, diese Systeme im Experiment zu verstehen.“ Im Labor können die Physiker zum Beispiel einfache theoretische Modelle der Festkörperphysik mit ultrakalten Quantengasen nachstellen. „Dies funktioniert, weil wir im Experiment eine sehr gute Kontrolle über alle Systemparameter haben und auch über ausgefeilte Messmethoden verfügen“, sagt Schreck. Der Experimentalphysiker arbeitet mit Quantengasen aus Strontiumatomen. Sein Team hat 2009 in Innsbruck das weltweit erste Bose-Einstein-Kondensat mit Strontium erzeugt, ein international beachteter Erfolg, der die Grundlage für die nun mit dem ERC Grant geplanten Arbeiten bildet. 2012 konnte Schreck mit seinem Team zudem erstmals nur mittels Laserkühlung ein Strontium-Bose-Einstein-Kondensat herstellen.
Neue Möglichkeiten
Das von Florian Schreck eingesetzte Erdalkalielement Strontium verfügt über zwei Außenelektronen, während die meisten Quantengasexperimente mit den einfacheren Alkaliatomen arbeiten, die nur ein Außenelektron besitzen. Die zwei Außenelektronen sorgen beim Strontium zum Beispiel für breite und schmale optische Übergänge und metastabile Zustände, die die Untersuchung ganz neuer Phänomene erlauben. Besonders interessieren sich Florian Schreck und sein Team für Magnetismus und Quantenhallphysik. Ein besseres Verständnis dieser Phänomene eröffnet zum Beispiel neue Möglichkeiten für Präzisionsmessungen mit Atomuhren. „Wenn wir die Quantenphysik von Vielteilchensystemen besser verstehen, können wir vielleicht auch Materialien erschaffen, deren Eigenschaften ganz anders sind als jene bislang bekannter Materialien“, blickt Florian Schreck weit in die Zukunft. „Beispiele dafür wären neue Formen von Supraleitern, neue magnetische Materialien und robuste Quanteninformationsspeicher.“
Zur Person
Florian Schreck (41) wurde in Konstanz, Deutschland, geboren. Er studierte an den Universitäten Konstanz und Grenoble Physik. Nach dem Doktoratsstudium in Paris und einem zweijährigen Forschungsaufenthalt in den USA kam er 2004 in die Arbeitsgruppe von Prof. Rudolf Grimm nach Innsbruck. 2010 erhielt er den START-Preis, Österreichs höchste Auszeichnung für Nachwuchsforscher. An der Universität Amsterdam wird Florian Schreck Professor für Experimentelle Quantenphysik am Van der Waals-Zeeman Institut für Experimentalphysik und dort Prof. Jook Walraven nachfolgen, einem Pionier auf dem Forschungsgebiet der Quantengase. Anfang Dezember wird Schreck sein Experiment in Innsbruck abbauen und mit seinem Forschungsteam nach Amsterdam übersiedeln.